Sonntag, 17. Februar 2008

Schwere Lektüre

Die Wendeltreppe vom Arbeits- ins Wohnzimmer ist gefährlich. Sie ist schon ohne alles gefährlich, denn sie ist aus sehr glattem Holz. Und ich trage zuhause weder Turnschuhe noch Börksenstocksandalen, sondern Socken. Und sie ist steil. Aber das ist nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem ist ihre zentrale Lage. Genau zwischen Wohn- und Schlafzimmer (und somit Bad 1) platziert, ist sie das geilste Regal, das man so haben kann. Nichts ist zu hoch für einen Fachboden, der nächste ist ja erst eine Stufe weiter hinten.

Also findet sich dort regelmässig ein Fundus von ... Dingen.

Da sind all die Sachen die hoch ins Arbeitszimmer müssen, Papiere, Elektrozeug. Eigentlich heisst es nur offiziell Arbeitszimmer, in Wahrheit ist es meine begehbare Rumpelkammer, der Schreibtisch steht schon immer im Wohnzimmer.
Dann sind da all die vollen Flaschen, die ins Bad müssen, und all die leeren Flaschen, die von dort in die Küche müssen.
Nicht zu vergessen die Zeitschriften, die man ja unbedingt mal aufheben muss um sie irgendwann in Ruhe zu lesen oder sie irgendwann fluchend zentnerweise in die Papiertonne zu donnern.

Kurz gesagt, die Treppe ist voll, aber es gibt einen begehbaren Pfad, wenn man zwei, drei Stufen auslässt und einen schmalen Fuss hat. Heute hab ich das wieder versucht. Irgendwann gegen nachmittag. Eigentlich hab ich im Friedhof des Computerzubehörs nur nach einem passenden Kabel gesucht. Nun ja, irgendwie ist es dann mit mir durchgegangen und ich habe aufgeräumt. Oder besser, ausgemistet.

Stunden später lag oben an der Treppe ein kunstvoller, hochgradig einsturzgefährdeter Turm obiger Zeitschriften, die ich ja unbedingt ja noch mal in Ruhe lesen wollte. Im nächsten Leben, oder im übernächsten.

Nun bin ich ja von natur aus faul. Ich gehe erst dann zwei mal, wenn ich das ganze Graffl nicht mehr auf einmal tragen kann. Also in die Hocke, den Turm vorsichtig aufgehoben und ab ging die wilde Fahrt. Blind. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt.

Wo ist die erste Stufe, hoppala, ach hier schon. Ganz langsam ging es bergab. Auf jeder Stufe tastete ein besockter Zeh ganz sachte nach aufkommenden Hindernissen. Ungefähr so wie am 18 Grad kalten swimming pool, nachdem man drei Stunden bei 40 Grad im Liegestuhl vor sich hin gegrillt hat.

Die Shampooflaschen ? Check, gefunden. Wo liegt nochmal die Mehrfachsteckdose, die ich gestern übrig behalten habe ? Aua, ja, genau hier ist sie. Die Konstruktion auf meinen Händen begann bedenklich zu wackeln, hielt aber stand. Da war noch was, nur was ? Irgendwas hatte ich heut nacht noch auf der Treppe abgelegt. Weiteres Tasten, nichts, eine Stufe weiter.

Eine Sekunde später fand ich mich am Ende der Treppe, die Beine Goofy-mässig um mich geschlungen. Der ganze Stapel Altpapier war nur noch 1cm hoch, aber dafür ungefähr 5 Quadratmeter breit. Und ich sass mittendrin. Auf meinem Bauch lag Ken Follett.

Niedergestreckt von den "Pfeilern der Macht". Ich hasse gebundene Ausgaben. Nicht nur, weil sie mir in der Badewanne immer zu schwer werden und diese dämlichen Lesezeichenbändel immer ins Wasser rein hängen und sich vollsaugen. Seit heute hasse ich sie auch deshalb, weil sie abgelegt auf einer Treppenstufe sich beim Ertasten mit dem Zeh genauso anfühlen wie eine ganz normale Treppenstufe.

Das Kabel habe ich dann nicht mehr weiter gesucht. Ich geh morgen und kauf ein neues. Ist viel ungefährlicher.

Einige Dinge ändern sich nicht

Seit ich Rechner vor mir habe, begleitet mich eine Naturkonstante: Festplatten sind ein Jahr nach der Anschaffung zu klein.

Früher, damals, also vor laaanger Zeit, da bin ich in so einem Fall hergegangen und habe mühevoll Nützliches von mittlerweile Überflüssigem getrennt, und die Schmerzen damit ein wenig herausgezögert.

Wenn die Platzangst dann übermächtig wurde, habe ich stundenlang den Festplattentest der c't auswendig gelernt und bin um das Regal meines bevorzugten Schraubers solange rumgeschlichen, bis ich etwas budgettaugliches gefunden hatte, was dauern konnte.

Daheim mit dem teuer erworbenen Schatz verschwand ich unter dem Schreibtisch, um ihn am offenen Herzen des Rechners anzuschliessen.

Formatieren, Pinkeln gehen, fertig. Daten aufspielen, halb voll das Ding. Dauerte vom Bedarf bis zur Erfüllung einen Tag.

Und heute ? Heute fahre ich zum Schrauber, frage ihn nach der Kapazität der grössten Platte die er auf Lager hat, nach dem Preis, und nehme zwei davon.

Fahre heim, verschwinde unter dem Schreibtisch, um den neu erworbenen Schatz am -wesentlich kleineren, denn Big-Towers sind out- Herzen anzuschliessen.

Formatieren, Pinkeln gehen. Kaffee trinken. Waschmaschine einräumen, Spülmaschine einräumen, alte Klamotten eintüten, Tanken fahren, Kleingeldautistin an der Kasse lässig ignorieren, heimkommen, nachschauen. 47%, Waschmaschine in den Trockner räumen, getrocknete Klamotten aufhängen, Brunch auf dem Schreibtisch veranstalten, anschliessend tierische Sauerei beseitigen, fertig. Daten aufspielen, einkaufen fahren, Klamotten in den Altkleidercontainer donnern, Heimkommen, Rotwein aufmachen, Snooker schauen, pinkeln gehen, Remo schauen, zum zwanzigsten Mal, Jubiläum feiern.

Dauert vom Bedarf bis zur Erfüllung einen Tag. Manche Dinge ändern sich nie. Und Geld kauft nicht immer Zeit.
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a life less ordinary ?

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